10 Falschbehauptungen zur Begründung von Kletterverboten
Es heißt: „Klettern an geschützten Felsen ist per se verboten.“
Falsch!
Dieser, vor allem in Naturschutzbeiräten weit verbreitete Mythos trifft nicht zu.
Richtig ist:
Pauschale Verbote sind rechtlich nur zulässig, insofern sie durch die Naturschutzgesetze und hierbei maßgeblich durch das Bundesnaturschutzgesetz explizit genannt werden.
Für den Klettersport trifft dies nicht zu.
Selbstverständlich kann der Klettersport eingeschränkt werden, um Natur- und Artenschutz nicht zu gefährden. Allerdings bedarf es immer einer individuellen Betrachtung des einzelnen Felsens. Ein pauschales, generisches Kletterverbot, „weil der Felsen ja unter Schutz steht“ ist nicht möglich.
Fakt ist, dass die Mehrzahl der deutschen Kletterfelsen unter naturschutzrechtlichem Schutz steht.
Hier eine sehr kleine, willkürliche Auswahl von prägnanten Beispielen:
- Hohenstein – Süntel (Niedersachen) Naturschutzgebiet
- Ith – Bisperoder, Lüerdisser, Holzener Klippen und andere (Niedersachen) Naturschutzgebiet
- Kanstein (Niedersachen) Naturschutzgebiet
- Sächsische Schweiz – 1147 Klettergipfel (Sachsen) weitgehend Nationalpark, teils Kernzone
- Eibenwände bei Gößweinstein (Bayern) Naturschutzgebiet
- Scharfenstein (Hessen) Naturdenkmal
- Eschbacher Klippen (Hessen) Naturdenkmal
- Lorsbacher Wand (Hessen) Naturschutzgebiet
- Morgenbachtal (Rheinland-Pfalz) Naturschutzgebiet
- Rotenfels (Rheinland-Pfalz) Naturschutzgebiet
- Fast alle Felsen des Pfälzer Waldes (Rheinland-Pfalz) Naturdenkmäler, Biosphärengebiet
- Schriesheim (Baden-Württemberg) Naturschutzgebiet
- Battert (Baden-Württemberg) Naturschutzgebiet
- Schwäbische Alb (Baden-Württemberg) weitgehend Naturschutzgebiete, Biosphärengebiet
Es heißt: „Grundstückseigentümer haften für Kletterunfälle.“
Falsch!
Richtig ist:
Den Grundstückseigentümer treffen an Felsen in aller Regel keine Verkehrssicherungspflichten.
Wer sich in den Gefahrenbereich eines Felsens begibt – egal aus welchem Grund oder mit welchem Motiv – handelt vollständig eigenverantwortlich. Das gilt sebstverständlich auch für Kletterer.
Einzige Ausnahme sind Steinbrüche, die explizit zum Zwecke klettersportlicher Nutzung vom Grundeigentümer als Klettergebiet ausgebaut wurden. In diesem Fall hat der Eigentümer den „Verkehr“ Klettersport selbst eröffnet und er trägt aus diesem Grund die Verkehrssicherungspflicht.
Siehe dazu auch DAV Leitfaden »Recht zum Klettern in der Natur«
Es heißt: „Der Grundstückseigentümer hat das Recht, zu entscheiden, ob an einem Felsen auf seinem Grund geklettert werden darf oder nicht.“
Falsch!
Richtig ist:
Der Grundeigentümer hat keine rechtliche Möglichkeit, das Klettern auf der Basis seiner Eigentümerstellung zu verbieten, solange der Felsen frei zugänglich ist.
Klettern unterliegt dem bundesrechtlich geschützten freien Betreten der Natur und Landschaft zum Zwecke der Erholung. Grundeigentümer haben dieses Recht unentgeltlich zu dulden. Ein Kletter- und/oder Betretungsverbot auf der Basis des Privatrechts ist nur dann möglich, wenn es sich bei dem betreffenden Grundstück um ein „befriedetes Besitztum“ handelt. Das setzt die Existenz eines den Felsen umschließenden Zaunes voraus. Das Überwinden des Zaunes wäre dann Hausfriedensbruch.
Das Regierungspräsidium Darmstadt schreibt dazu in einer Stellungnahme zur rechtlichen Beurteilung des Kletterns in Hessen: „Eine Sperrung auf Grund der bloßen Eigentümerstellung ist nicht zulässig.“ Und weiter: „Verbieten Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigte von Grundstücken, die der Betretungsbefugnis unterliegen, Erholungssuchenden mündlich oder durch Aufstellen von Schildern das Betreten des Grundstückes, so sind diese Verbote für den Erholungssuchenden grundsätzlich unbeachtlich. Verbote dieser Art sind nicht geeignet, die gesetzliche Betretungsbefugnis aufzuheben (Franz, Hessisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege, § 10, S.192).“ An dieser Einschätzung hat sich auch durch die Änderungen der Naturschutzgesetze der letzten Jahre nichts geändert. (Aktenz.: IX 73-0.2-R21.1.1, Sport/Klettern)
Es heißt: „Kletterer eutrophieren mit Magnesia die Felsbiotope.“
Falsch!
Nicht nur von Mitgliedern des Hessischen Landesnaturschutzbeirats wurde die Behauptung aufgestellt, dass das beim Klettern verwendete Magnesia an den Felsen als Dünger wirkt. Dies wiederum soll – so die Behauptung – langfristig zu einer Überdüngung (Eutrophierung) der natürlichweise nährstoffarmen Felsbiotope führen.
Richtig ist:
Die im „Magnesia“ (Magnesium Hydroxid-Carbonat) enthaltenen Hydroxide und Carbonate taugen zum einen nicht als Pflanzendünger. Und auch die Magnesium-Ionen kommen dafür nicht in Frage. Zum anderen ist die Löslichkeit des beim Klettern verwendeten Magnesias viel zu gering, um überhaupt irgendwelche Effekte hervorzurufen. Die maximal lösliche Menge in Wasser (jeweils in g/100g Lösung bei 20°C) beträgt: MgCO3: 1,1 × 10-2, Mg(OH)2: 8,5 × 10-4; (G. O. Müller: Lehrbuch der angewandten Chemie, 6. Auflage, 1987). Das heißt, in einem Liter einer 20°C warmen, gesättigten Lösung finden sich 0,11g gelöstes Magnesiumcarbonat und 0.0085g Magnesiumhydroxid.
Es heißt: „Kletterer vertreiben Vögel, die in den Felsen brüten.“
Falsch!
Diese, von Wanderfalken-, Uhu- und Dohlenfans gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung ist durch unzählige Beobachtungen in der Realität widerlegt.
Richtig ist:
Sowenig, wie sich brütende Wanderfalken und Uhus von Wanderfalken- und Uhu“schützern“ beeindrucken lassen, die ihre Jungvögel direkt im Horst erfassen, vermessen, wiegen und beringen, genausowenig lassen sich diese Vögel von Kletterern vertreiben, die in der Nähe des Brutplatzes klettern.
Die Zahl der Beispiele von Felsen, an denen Kletterer mit Falken, Uhus, Dohlen und anderen Vögeln friedlich koexistieren – auch während der Brutzeit -, übersteigt jedes Maß, das noch als exotischer Einzelfall kleinzureden wäre.
Um hier nur eines der prägnantesten und aus hessischer Sicht auch sehr naheliegendes Beispiel zu nennen:
- Im Steinbruch von Hainstadt im nördlichen Odenwald wird seit Mitte der 1980er Jahre geklettert. Das Gelände ist von den Odenwälder Kletterfreunden gepachtet. Es wurde zwischen den Kletterrouten auch ein Übungsklettersteig installiert, der ganzjährig sehr beliebt ist. Insgesamt ist der Steinbruch sehr leicht zugänglich – ein Parkplatz mit Grillplatz befindet sich direkt davor – und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der populärsten und frequentiertesten Kletterfelsen ganz Südhessens entwickelt. Ohne Zutun des Menschen und während des unreglementiert laufenden Kletterbetriebes hat sich dann in den früher 1990er Jahren ein Wanderfalke eingefunden, und wenige Meter oberhalb des Übungsklettersteiges einen Brutplatz bezogen. Seit diesem Jahr steigen die Kletterer nur im unmittelbaren Horstbereich nicht bis ganz nach oben, sondern klettern nur bis ca. Wandmitte. Der Falke fühlt sich offensichtlich in keiner Weise gestört und zieht seit dem regelmäßig erfolgreich seine Jungvögel groß, während unter ihm fleißig geklettert wird.
Es heißt: „Kletterer sind verantwortlich für die Bestandsbedrohung von Uhu und Wanderfalke.“
Falsch!
Diese Behauptung wurde als Konsequenz aus der oben bereits widerlegten Behauptung hergeleitet und ebenfalls über Jahrzehnte von organisierten Wanderfalken- und Uhufans kolportiert.
Richtig ist:
Bestandsgefährdente Faktoren sind Umweltgifte (in der Vergangenheit DDT), Bejagung/Bekämpfung (z.B. von Wanderfalken durch Taubenzüchter) sowie vereinzelt regional durch Waschbären.
In den 1960er und 1970er Jahren gingen die Zahlen der Wanderfalken und Uhus in Deutschland wie in ganz Europa dramatisch zurück. Eindeutige und von keiner Seite in Frage gestellte Ursache war die Verwendung des Insektizids DDT in der Landwirtschaft. Nach dem umfassenden Verbot dieses Mittels im Jahr 1972 erholten sich die Bestände schnell – vor allem auch durch sehr erfolgreich betriebene Nachzüchtungs- und Auswilderungsprojekte. Heute gilt der Bestand in Deutschland für beide Arten als stabil und „Nicht gefährdet“. Wenn man nun berückstichtigt, dass vor allem in den 1980er und 1990er Jahren der Klettersport in Deutschland einen starken Aufschwung erlebte – genau in der Zeit, in der die Populationen von Uhu und Wanderfalke am stärksten anstiegen – kann niemand ernsthaft einen negativen Einfluss des Klettersports behaupten.
Seit dem erfreulicherweise erfolgreichen Abschluss der Wiederansiedelungsprogramme behaupten noch nicht einmal mehr die radikalsten baden-württembergischen Wanderfalkenfreunde, dass der Klettersport den Bestand der Falken gefährdet. Heute ist es nur noch eine in der Eifel beheimatete, kleine, extremistische Splittergruppe, die das Märchen von der Gefahr des Klettersports für den Uhu unters Volk zu bringen versucht. Zur „Untermauerung“ hat man sich nun einen neue Variante des obigen Mythos erdacht.
Bestandsentwicklung von Uhu und Wanderfalke in Hessen. Uhu von 1977 bis 2019, Wanderfalke von 1983 bis 2019
(ergänzt um den Bestand vor dem Niedergang nach Angaben von Brauneis aus derselben Quelle).
Quelle: Brauneis, W. (2020): Zur Situation von Uhu (Bubo bubo) und Wanderfalke (Falco peregrinus) in Hessen; in: Jahrbuch Naturschutz in Hessen Band 19/2020; Nordhessische Gesellschaft für Naturkunde und Naturwissenschaften e.V. (Herausg.)
Es heißt: „Klettern reduziert die Erfolgsaussichten von Uhubruten und damit die Zahl der flüggen Jungvögel und Gefährdet damit letztlich deren Bestand.“
Falsch!
Richtig ist:
Klettersport in Uhu-Brutrevieren, mit temporären Sperrungen der Brutfels in der Brutzeit haben keine Auswirkungen auf den Bruterfolg.
Es heißt: „Kletterer zerstören die Felsvegetation, Moose und Flechten.“
Falsch!
Der sehr populäre Vorwurf, hört sich zwar für Nicht-Kletterer recht plausibel an, ist aber dennoch falsch.
Richtig ist:
Erstens sind Felsen natürlicherweise nicht vollständig bewachsen.
Ein Umstand, der gerne in Umkehrung der Zusammenhänge als Beleg für die Behauptung angeführt wird. Aber Felsen sind nicht unbewachsen, weil an ihnen geklettert wird, sondern Kletterer klettern vorzugsweise an unbewachsenen Felsen.
Zweitens bewegen sich Kletterer nicht schneckenartig über die Felsoberfläche, sondern haben zu dieser nur punktuellen Kontakt mit Händen und Füßen.
Aus diesem Grund ergeben sich auch nur punktuelle Einflüsse des Kletterns auf die Felsoberfläche und dort existierende Flechten. Auch eine Scheuerwirkung der Seile, die immer wieder gerne angeführt wird, ist i.d.R. nicht gegeben, da die Seile an den meist steilen Kletterfelsen nur wenig Felskontakt haben und frei hängen.
Es gibt inzwischen zahlreiche Gutachten, die einen negativen Einfluss des Kletterns auf die Felsvegetation und den Flechtenbestand nicht bestätigen konnten.
Es heißt: „Kletterer vertreiben Eidechsen.“
Falsch!
Nicht nur bei der fast vollständigen Sperrung des Rurtals in der Nordeifel wurde die Behauptung verbreitet, Kletterer würden die auf den Felsen lebenden Mauereidechsen gefährden.
Wie wenig diese Behauptung mit dem realen Verhalten der Eidechsen zu tun hat, die sich von Kletterern nicht stören lassen, kann jeder an den Felsen selbst beobachten.
Richtig ist:
Kletterer erleben es regelmäßig beispielsweise auf den Sandsteinfelsen der Pfalz oder an den Porphyrfelsen des Battert, dass sich Eidechsen ohne Scheu bis in ihre nächste Nähe trauen.
Auch die Gelege der Eidechsen sind durch den Klettersport ungefährdet. Diese befinden sich auf tiefen, sandigen oder bewachsenen Bändern und in horizontalen Schlitzen, die von Kletterern generell gemieden werden oder gar nicht erst erreichbar sind.
Es heißt: „Kletterer vertreiben Fledermäuse.“
Falsch!
Richtig ist:
Die nachtaktiven Fledermäuse ziehen sich bei Tag in tiefe Felsspalten oder -höhlen zurück, wo sie durch Kletterer, die sich an der Felsoberfläche bewegen nicht erreichbar sind und nicht tangiert werden.
Weitere Informationen
DAV Leitfaden »Recht zum Klettern in der Natur«
Rechtliche Hinweise für Felsbetreuer und alle, die das Klettern an Naturfelsen und Steinbrüchen betrifft.