Historische Wandbücher von der Lorsbacher Wand
Die Lorsbacher Wand ist einer der extrem seltenen Fälle außerhalb Sachsens und der Südpfalz, in denen noch Wand- oder Gipfelbücher aus der Frühzeit des Klettersports an diesem Felsen existieren. Das hofheimer Kletter-Urgestein Edi Reinhardt, Erstbegeher der legendären „Edi-Route“, hütete viele Jahre einen kleinen Schatz: Zwei alte Wandbücher, kleine, vom Zerfall bedrohte Heftchen, in denen die Klettergeschichte der Lorsbacher Wand bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückzuverfolgen ist.
Da die Lorsbacher Wand im kletterfelsarmen Taunus mit ihrer Steilheit und den hohen Schwierigkeitsanforderungen ein Solitär war und ist und nicht im Kontext eines größeren, zusammenhängenden Klettergebiets gesehen werden kann, können diese alten Wandbücher als einzigartige sporthistorische Dokumente gewertet werden.
Hier ein paar der interessantesten Seiten:
Die älteste Seite des Wandbuches von der Lorsbacher Wand
Der älteste Eintrag stammt vom 11.9.1932. Leider ist der Name des Kletterers nicht mehr zu entziffern.
Weiter bemerkenswert ist, daß bereits in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts Frauen an der Lorsbacher Wand kletternd aktiv waren:
8.4.34: Hans Wongtschowski und Albert Behar zusammen mit Else Reinheimer aus Frankfurt.
Interessant auch der Eintrag vom 29.4.1934: „Aller Achtung – S.B.B“. Es handelt sich wohl aber nicht um einen Bezug zum Sächsischer Bergsteigerbund.
Klettern an der Lorsbacher Wand in den Jahren 1937 – 1939
Im untersten Eintrag taucht der Name Fritz Mann auf.
Nach einem Schriftvergleich hat sich allerdings herausgestellt, daß es sich nicht um die Unterschrift des bekannten pfälzer Kletterers und Erschließers handelt.
Ganz herzlichen Dank für die Hilfe bei der Aufklärung an Winfried Eberhardt, einem Enkel Fritz Manns.
Klettern mitten im Krieg, im Mai und Juli 1940
Hans Michel, offensichtlich nicht nur ein leidenschaftlicher Kletterer, sondern auch ein ebensolcher Skifahrer, nutzte den Urlaub von der Front zur Entspannung am Fels. Am Mittwoch, dem 8. Mai 1940, schrieb er nach einer Klettertour zusammen mit einem Kletterpartner Karl Kaufmann in’s Wandbuch der Lorsbacher Wand:
„Als Soldat auf Urlaub. Habe das Buch im Eckel-Winkel-Durchstieg gefunden u. an seinen alten Platz gebracht. SKI und Berg HEIL“
Und noch einmal Hans Michel auf Heimaturlaub am 30. Juli 1940, einem Dienstag:
„Nach den Kämpfen in Frankreich als Soldat auf Urlaub. Ski u Berg Heil“
Das symbolisch-verkürzte „SGF“ in der Mitte der Seite steht für „Ski-Gilde Frankfurt“.
Klettern mitten im Krieg, im September 1942
Eine Geschichte wie aus einem Film: Am Dienstag, dem 29. Sept. 1942, flüchteten Marianne Rehnert und ihr Kletterpartner Artur Jahn vor einem englischen Bomberangriff gegen Frankfurt in den Taunus, um an der Lorsbacher Wand zu klettern. Für Marianne Rehnert war es die erste Klettertour, sie schrieb in’s mit wunderschöner Handschrift ins Wandbuch:
„Während einem englischen Fliegerangriff habe ich heute mit Artur Jahn die Wand erklommen. Es ist die erste Klettertour meines Lebens aber ich finde es einfach pfundig.
Marianne Rehnert aus Burgstädt i/Sa z.Zt. in Frankfurt auf Urlaub.“
Erstbegehung der „Edi-Route“ im Jahr 1949
Am 27. März 1947, einem Donnerstag, gelang Edi Reinhardt und Georg Schall die erste Kletterroute im zentralen Teil der Lorsbacher Wand. Schnell wurde klar, daß die beiden Kletterer aus Hofheim da eine Meisterleistung hingelegt hatten. Die nach ihrem Erstbegeher benannte „Edi-Route“ läutete die Erschließung des kompakten und steilen linken Wandteils ein und blieb doch für viele Jahre das Testpiece für die ambitionierten Kletterer im Frankfurter Raum.
Bemerkenswert noch, daß es auch schon damals zu Streitereien und Diskussionen um die Haken kam, wie man auf dieser Seite des alten Wandbuches nachlesen kann. Ein unbekannter Kletterer schrieb: „Sauerei, ihr Gauner, die Haken sind weg! (kein Aprilscherz)“
Da dieser Eintrag vom 3. Jan. 1949 stammt, kann er sich allerdings nicht auf die Erstbegehung der „Edi-Route“ beziehen.
Die sechziger Jahre an der Lorsbacher Wand
Am 26. Mai 1960 trug Jürgen Nold aus Mainz die 8. Begehung eines nicht genannten Weges ein. Klaus Leithäuser aus Wetzlar (DAV Gießen) war auch mit von der Partie.
Ingrid Hahmann aus Darmstadt war anfangs der sechziger Jahre zusammen mit Pit Schubert öfter an der Lorsbacher Wand zu Gast. Bei einem tragischen Unfall stürzte sie im Abstieg vom oberhalb der Wand entlangführenden Pfad tödlich ab. Nach ihr ist heute die „Via Ingrid“ benannt.
Wie man sieht, hatte der Oberreintalgruß auch schon in den Taunus gefunden.